Kurzgeschichten von Euch, für Euch
Der
Letzte
Selbst
durch die Tücher, in die ich mich gehüllt habe, brennt die Sonne unbarmherzig ihre
Zeichen in mein Fleisch. Heute Morgen hat sich wieder ein ziemlich großes Stück meiner
Haut verabschiedet, hm, es blätterte einfach ab -- bald wird mein ganzer Körper eine
einzige Wunde Stelle sein. Wären da nur nicht diese eitrigen Schwellungen, die stinken
grausam und beim lösen meiner Vermummung schmerzen sie erbärmlich. Doch grausem ist das
ganze Leben und Schmerzen -- tja, ich weiß gar nicht wo an meinem Körper ich keine
Schmerzen habe!
Letzthin habe ich mich im Spiegel betrachtet, lange saß ich davor, Haare musste ich keine
kämmen, früher hasste ich es mich morgens kämmen zu müssen, heute wäre ich froh, ich
hätte auch nur ein einziges Haar. Überhaupt, im Spiegel erkannte ich kein mir vertrautes
Gesicht, ich dachte ich sähe in eine tiefe, volle Jauchengrube! Seit langem war es das
erste mal, das ich weinte, ich muss wohl stundenlang geweint haben, aber Tränen flossen
keine, die verdampften noch bevor sie aus den Augen traten.
Wieso mussten sie damals diese Chemikalien in die Luft lassen? Wieso nur?
Jetzt weiß ich's wieder, sie sagten die Ozonschicht habe sich aufgelöst und sie wollten
es mit Chemie wieder füllen, ging wohl voll in die Hosen!
Durch die Chemikalien hat sich die Sonneneinwirkung so verstärkt, das sie auch durch die
Wände der Häuser jegliches Leben verbrannte. Und als in den zahlreichen Bunkern die
Lebensmittelvorräte verbraucht waren, kamen die Menschen in Scharen heraus. Sie haben
sich gegenseitig abgeschlachtet für ein verkohltes Stück Brot!
Verurteilen darf ich sie nicht, ich machte genauso mit, wie die anderen auch. Verdammt,
ein zwei Menschen werd ich wohl getötet haben...
Könnt ich doch nur noch einmal mit einem lebendigen Menschen sprechen, es muss ja nicht
viel sein, ein "Hallo" und ein "Aufwidersehen" genügen.
Hä -- Aufwidersehen? Ein blödes Wort, alles was ich sehe, sehe ich zum letzten Mal!
Auf
der Suche nach anderen bin ich schon durch etliche Staaten gegangen, zumindest kommt es
mir so vor. Das ist schon paradox, zuerst töte ich die, die Essen haben und nun will ich
einen finden, mit dem ich sterben kann.
Mit einem Auto könnte ich schneller suchen, leider kann ich keines benützen, als fast
alles zu Ende war, wurden sie verboten, jegliches Benzin von den Staaten versteckt. Keiner
hat erfahren wohin sie's brachten, nun will's keiner mehr wissen. Fahrrad fahren wäre
auch nicht schlecht, aber sitzen oder liegen schmerzt irrsinnig, überall die offenen
Wunden...
Bleiben bloß meine halbverfaulten Füße, die ich nur mit großer Mühe bewegen kann,
doch ich habe mir geschworen, bevor ich sterbe will ich noch einen Menschen sehen.
Mein Hunger und mein Durst treiben mich noch in den Wahnsinn, Lebensmittel gibt's keine
mehr und jeder Tropfen Wasser ist kochend heiß. Bestimmt sind sechs Tage vergangen, seit
ich was zu Essen gehabt habe, ich bin so dünn, dass ich meine Knochen durch die Haut
schimmern seh.
Was ist denn das, da, da im Schaufenster, ei...ein Mensch, ich muss ihn erreichen, ich
will ihn erreichen, meine Füße werden immer schwerer. Ich werd verrückt, es ist eine
Frau, sie sieht noch schlechter aus als ich, aber das macht nichts.
Wieso hat sie keine Vermummung? Und ihre Augen, sie sind so leer, ihr ganzer Körper ist
hart, meine Güte sie schmilzt ja, ich hätte es wissen müssen!
Es ist nur eine Puppe! Eine einfache Schaufenster-Puppe, kein lebendiges Wesen.
Die Puppe und ich, wir sind die Letzten, es kann nicht anders sein. Meine Kraft geht zu
Ende, ich kann mich nicht mehr halten, trotz meiner Schmerzen leg ich mich hin, ihr zu
Füssen.
Hallo Puppe, Hallo, wie geht es dir, jetzt kannst du suchen gehen, ich kann nicht
mehr... Aufwidersehen du kleine Schaufensterpuppe..."
Ende
SDP