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Texte, Reime, Kurzgeschichten - von Euch und für Euch geschrieben
Raum
„Wie kann man nur auf so eine
Idee kommen?!“ fluchte der Physiklehrer, als er den 17 Sol 3 Umdrehungen alten
Pflanzenmenschen Ben seine Theorie äußern hörte.
Klar, jeder wusste, dass sie hier auf einem sehr seltsamen Planeten lebten.
Immerhin steht nicht jeder Planet komplett still, weißt keine Eigenrotation auf
und wird dann auch noch von drei natürlichen Kernfusionsreaktoren (Primitive
nennen das noch „Sonnen“. Physiker nennen das natürliche Kernfusionsreaktoren,
um die Primitiven davor abzuschrecken, in ihrem Wissensgebiet rumzustöbern, man
könnte über unangenehme Details stolpern und sich ordentlich was brechen.
Überhaupt, wenn man dabei von einem verwirrten und zornigen Physiker erwischt
wird) umkreist. Die Bewohner von Eridu waren stolz darauf, behaupten zu können,
den einzigen Planeten im Universum zu besitzen, der so war. Dabei verschwiegen
sie gekonnt die Tatsache, dass sie noch nicht so weit im Universum herumgekommen
waren, um so eine Behauptung aufrecht halten zu können, das war der
Tourismusvereinigung auf Eridu aber vollkommen egal. Ob der Planet jedoch
glücklich damit ist, ein Besitztum zu sein, ist nicht bekannt.
„Man denkt logisch nach?“ antwortete Ben und alle in seiner Klasse lachten an
diesem grellen Tag.
Da Eridu von drei Sonnen umkreist wird, die von den Eridanern Sol 1, Sol 2 und
Sol 3 genannt werden, gibt es nur grell oder hell auf diesem Planeten. Für sie
ist hell einfach die Nacht und für Touristen ist das fast unaushaltbar. Solche
Lichtbedingungen begünstigen Lebensformen, die Photosynthese sehr gerne nutzen,
weil sie nichts besser zu tun haben, außer zu wachsen. Nur wuchsen sie dann so
viel, dass sie nun, neben den Menschen, Eridu bewohnen und Pflanzenmenschen
genannt werden. Ob mit dem Namen die Pflanzen oder Menschen diskriminiert
werden, ist auch noch nicht bekannt.
„NEIN! Man nimmt Drogen und kommt auf solche Ideen, wie kannst du nur auf so
eine irrsinnige Theorie kommen?!“ brüllte der Lehrer weiter, doch das störte Ben
nicht.
Vielleicht explodiert er ja, wenn er nicht mehr brüllt? Das wäre ziemlich
ekelhaft, da Ben diese Woche mit einem andere schüchternen Jungen Klassendienst
hat und sonst alles aufwischen muss.
„Nun ja...ich habe keine Drogen genommen...aber wieso sollte unser Universum das
einzige Universum sein?“
„WEIL es das EINZIGE ist!“
„Was ist das denn für eine Antwort?!“
„Die wissenschaftliche!“ sagte der Physiklehrer und versuchte nun, sich mehr zu
beherrschen. Es macht sich nicht wirklich gut, wenn der Direktor reinkommt und
man gerade einen Jungen verprügelt.
„Das stimmt doch gar nicht...das hier ist das Universum Virgo und das schwebt in
Raum und...“
„AUS! Blasphemie! Du unterstellst unseren Göttern, dass sie mehrer Universen
schaffen würden? Diese ekelhaften Faulpelze, die wir alle hassen, sind niemals
so strebsam, niemals würden sie so viele Universen schaffen!“
Ben seufzte. Nie hörte ihm jemand wirklich zu.
„Wer hat denn gesagt, dass die Götter das waren? Die sollen froh sein, wenn sie
von den Antropromorphen toleriert werden!“
„Schon wieder diese Antro....Atrospot...diese...AH!“
„A n t r o p r o m o r p h e” sagte Ben langsam, als würde er es einem totalen
Vollidioten erklären, obwohl er sich nicht ganz so sicher war, ob er dies nicht
wirklich tat.
Der Rest der Klasse tat inzwischen das, was jede andere Klasse in allen
Universen von Raum getan hätte, wenn ein Schüler den Lehrer ablenkt in einer
äußerst brisanten, wissenschaftlichen, philosophischen und gleichzeitig
theologischen Diskussion: sie passten nicht mehr auf und plauderten heftig
miteinander.
Doch das störte den Physiklehrer diesmal nicht, er war viel zu sehr darauf
konzentriert den Geist diese kleinen Jungen wieder in richtige Bahnen zu lenken,
wer weiß, auf was für Ideen er noch kommen kann, wenn man ihn nicht aufhält? Man
musste ihm wieder schnell und geschickt die Fesseln einer einheitlichen
Schulbildung anlegen. Vielleicht konnte man ihm ja mit Logik beikommen?
„Und was machen diese A-Leute da deiner Meinung nach?“
„Die ANTROPROMORPHE sind höher gestellt als die Götter, jedoch können wir sie
nicht sehen. Wir sind zu gewöhnlich und sterblich dafür...“
„WIE kannst du dann...?!“ fragte der Physiklehrer siegessicher, doch Ben
unterbrach ihn.
„...Moment, darauf komm ich bald. Also, sie sind die Verkörperungen von ALLEM.
Von Realität, Zeit, Raum, Psychosen, Tarnung, und so weiter, alles, was man sich
vorstellen kann. Sie sollen dafür sorgen, dass in Raum die Gesetze von Schicksal
aufrecht erhalten werden und...“
„Raum, Schicksal was, was, was?!“
Ein Vogel flog heran und setzte sich auf die Fensterbank des offenen Fensters.
Er sah sich im Klassenzimmer um und visierte mit einer ungewöhnlichen Präzision
Ben an. Es sah tatsächlich so aus, als würde er ihm böse, hasserfüllt Blicke
zuwerfen.
Ben schluckte schwer, als er das aus dem Augenwinkel heraus bemerkte.
„Tja...wissen Sie Herr Lehrer...Raum ist nicht nur ein Antropromorph, nein, auch
das große Ganze, in dem wir leben, ist Raum. Das hat dann nichts mehr mit dem
Antropromorph selbst zu tun, Raum an sich ist ein riesengroßes, schüsselförmiges
Objekt. Darin schweben tausend oder mehr Universen und Nichts, die allesamt um
die Glaskugel rotieren“
Der Physiklehrer musste sich konzentrieren, um den hirnrissigen Ideen des Jungen
noch folgen zu können. Er versuchte daraus abzuleiten, welche Art von Droge der
Junge wohl genommen hatte.
Der Vogel zwitscherte dämonisch, als er den Worten von Ben lauschte, was ihm
erstaunlich gut gelang.
Ben schluckte nochmals schwer.
„Nun ja. In der Glaskugel selbst lebt der große Herrscher, Schicksal. Er
kontrolliert alles, entscheidet, welches Nichts zu einem Universum werden soll,
um neues Leben zu schaffen. Na ja und die rotieren da jetzt alle um die
Glaskugel herum und am Rand dieser Schüssel Raum gibt es noch etwas...“
Inzwischen war der Vogel mehr in das Klassenzimmer hineingeflogen und hatte sich
auf die obere Kante der Tafel gesetzt. Von dort aus wollte er anscheinend Ben
mit seinen Blicken hypnotisieren, so böse starrte er ihn an. Mit diesen kleinen,
fiesen Augen...
„Ja...da rotiert noch Seelenreich, Heimat aller Seelen, die jemals in Raum
gelebt haben oder dort geboren beziehungsweise wiedergeboren werden sollen...und
ähm...ja...Schicksal kann nicht aus der Glaskugel heraus...er kann aber die
Körper von kleinere Lebewesen übernehmen und auch einen Astralkörper erschaffen
um...“
Der Vogel zwitscherte erneut dämonisch.
„Es wird also Ärger geben...“ dachte sie Ben.
„Das ist nicht lache!“ brüllte der Physiklehrer.
„Tust du auch nicht!“ gab Ben zurück und nickte dabei dem Vogel zu, der ihn noch
immer fixiert hatte.
Ben stand nun auf und stand in seiner vollen Größe vor dem Physiklehrer, was
eigentlich volle Kleinheit war. Immerhin war er noch sehr jung.
Dann hob er die Arme, sah noch einmal zu dem Vogel und sagte „Tut mir leid, du
sterbliches Wesen. Ich muss jetzt gehen, war nett mit dir zu spielen!“ und
verschwand ganz auf einmal vor den Augen des Physiklehrer, der danach erst mal
einige Beruhigungsliter Alkohol brauchte und die Klasse somit frei hatte.
Alle dankten Ben dafür, auch wenn es jedem suspekt vorkam, wie so etwas sein
konnte.
Aber frei ist nun mal frei.
Der Vogel flog wieder zum Fensterbrett, röchelte kurz als würde er etwas
hochwürgen wollen, was er vor einer Woche gegessen hatte und verdrehte dabei die
Augen. Nach einem spektakulären Tanz, bei dem sein Körper immer mehr zuckte und
seine Augen immer blutunterlaufener wurden, brach er zusammen, erholte sich
jedoch schnell wieder und flog fröhlich zwitschernd weg, hinaus in die Weiten
Wiesen von Eridu.
Ben erschien wieder vor der Glaskugel, als das, was er wirklich war.
Der Antropromorph Hinterhalt.
Kurz darauf erwachte Schicksal wieder, der immer in der Gestalt eines kleinen,
zirka dreijährigen Jungen erscheint. Anscheinend ist das ekelhafteste, böseste
und gemeinste, was es in ganz Raum geben kann ein dreijähriger Junge und deshalb
muss Schicksal so sein. Das Schicksal ist nun mal so!
„Hinterhalt...“ brummte Schicksal wütend.
„Hey, immer mit der Ruhe, ich wollte nur meinen Spaß haben!“
„Wie konntest du nur alles davon erzählen, das dürfen sie gar nicht wissen!
Spinnst du, sollen sie wissen, dass es das Schicksal wirklich gibt, sollen sie
mich dann dafür verantwortlich machen, was in ihrem Leben vorgeht!“
„Aber das bist du doch“ sagte die gerade erscheinende Realität. Sie hatte einen
Körper, der aus Licht bestand und ihre Haar- und Augenfarbe wechselte ständig.
Wie jeder andere Antropromorph sah sie so aus und verhielt sie so, wie sie war.
Deshalb musste Realität alle Realitäten annehmen können und da ein dauerndes
dicker und dünner werden stört, wurde ihr von Schicksal ein Lichtkörper
genehmigt. Doch die Haare und Augen mussten variabel bleiben.
„NA UND?!“ sagte er trotzig „Das müssen DIE doch nicht wissen!“
„Ich fand’s aber lustig, sie zu ärgern“ antwortete Hinterhalt.
„Ich find es gleich lustig, dich mit Gestank und Krankheit irgendwohin zu
schicken und irgendeine doofe Aufgabe wie Schwarzes Loch putzen erledigen zu
lassen!“ brüllte Schicksal zornig.
„Das geht?“ fragte Realität.
„DAS WIRD HINTERHALT DANN SCHON RAUSFINDEN!“
„Nein, NEIN! Bitte nicht, bitte nicht mit denen, bitte nicht, NEIN!“ jammerte
Hinterhalt währenddessen.
„Dann hör auf, solchen Blödsinn zu treiben, hast du niemanden andere, denn du in
den Hinterhalt führen kannst?! Musste der Physiklehrer einen Nervenzusammenbruch
erleiden wegen dir?!“
„Kann ich doch nichts...“
„Doch, du kannst was dafür, Hinterhalt. Und ich bin Realität, also weiß ich das
sicher“ sagte Realität und schnitt damit Hinterhalt das Wort ab.
„Na gut...ich verspreche dir, dass ich niemanden mehr von diesen Welten in einen
Hinterhalt führen werde“ sagte Hinterhalt grinsend.
„SCHÖN!“ schrie in Schicksal an „Und nun geh mir aus den Augen, ich muss noch
darüber nachdenken, was mit dem Nichts Diamon geschehen soll! Realität, du
darfst auch gehen!“
„Wie großzügig...“ sagte sie und verdrehte dabei die Augen. „Komm Hinterhalt,
wir verziehen uns von hier, vielleicht finden wir ja Zeit mit ihrem Mann Raum
und deren Kinder Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit, die sind wenigstens
höflich“
„Ja...aber Raum nicht...muss der dabei sein?!“ fragte Hinterhalt besorgt.
„Ja, leider....weißt doch, Raum Zeit Kontinuum...müssen einfach zusammen sein,
sonst gibt’s Probleme hier zuhauf! Also komm, lass uns gehen!“
„Gut...also tut mir leid Schicksal, ich werde so etwas nie mehr machen!“ sagte
Hinterhalt und ging mit Realität fort.
„Wieder jemanden in einen Hinterhalt geführt...Schicksal...hehe“ freute er sich
im Gedanken, als sie in den Weiten von Raum verschwanden, dass mittlerweile um
einen zurechnungsfähigen Physiklehrer ärmer war.
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