Eure Geschichten

Der Untergang Wreslas

Schloss Wresla brannte. Der Don konnte es noch immer nicht glauben. Baron Eltron hatte ihm nicht geglaubt. Aber was hatte der Adlige erwartet? Er hatte einem Mann, dem er die Geliebte genommen hatte, vertraut. Natürlich, ein Band alter Freundschaft hatte sie verbunden, aber das hatte den Kampf um Andreia nicht überlebt. Der Baron hatte sein Leben lang an das Gute im Menschen geglaubt. Doch mit seinen letzten Atemzügen hatte er erkennen müssen, dass es Menschen gab, die nichts Gutes in ihrem Herzen duldeten, und das der Inquisitor Simon zu diesen Menschen zählte.

Christoph von Wresla lag auf dem Rasen und sah stumm zu dem brennenden Schloss auf der anderen Seite des Sees. Seine nassen Kleider und Haare tropften. Hätte der Don ihn nicht geweckt und durch den geheimen Gang in Sicherheit gebracht, er wäre wie sein Vater und ein Großteil des Gesindes ermordet worden.

Nachdem Simon von Großbach, dritter Inquisitor der Sonnenkirche, Andreia in seine Gewalt gebracht hatte war der Befehl an seine Männer ergangen, jeden zu töten, der ihnen vor das Schwert kam. Es hatte lange gedauert, aber irgendwann waren die Schreie leiser geworden und hatten schließlich ganz aufgehört.

Christoph wusste, dass er diesen Abend niemals vergessen würde. Sein Vater hatte ein Bankett zu Ehren eines alten Freundes gegeben. Irgendwann hatte dieser Freund sich dann verabschiedet und war zurück in die Stadt geritten, wo er in einer Herberge nächtigen wollte. Das hatte ihn schon gewundert. Warum übernachtete ein alter Freund seiner Eltern nicht im Schloss? Dann hatte er ein Gespräch zwischen seinem Vater und dem Don belauscht. Der Don hatte seinen Vater gewarnt. Er hatte ihm vor Augen gehalten, dass Simon und Andreia einst verlobt waren, bevor Eltron, Herr von Wresla, dazwischen gekommen war. Simon hatte damals geschworen, dass er seinen Jugendfreund töten würde, dafür, dass er ihm die Geliebte genommen hatte. Heute hatte er seinen Schwur erfüllt. Und Christoph würde seinen Vater rächen. Aber zuerst musste seine Mutter befreit werden.

Endlich wandte der Don sich von dem immer noch glimmenden Trümmerhaufen ab. Schnellen Schrittes ging er in den Wald. Christoph rappelte sich auf und folgte ihm mit Mühe. Als er ihn keuchend eingeholt hatte fragte der grade mal siebzehnjährige Jüngling:

„Was habt ihr vor? Wollt ihr etwa meine Mutter im Stich lassen?“
„Ich bringe euch in Sicherheit junger Baron. Für euer Leben bin ich verantwortlich, nicht für das eurer Mutter.“
„Was soll das heißen?“

Ohne sich umzudrehen oder seinen Schritt zu verlangsamen fuhr der Don fort:

„Euer Vater beauftragte mich, als er mich damals in seine Dienste nahm euch zu schulen und als euer Leibwächter über euch zu wachen. Sein Befehl lautete, falls einmal so etwas geschehen sollte, ohne Rücksicht auf andere euch in Sicherheit zu bringen. Und diesen Befehl gedenke ich auszuführen. Als letzte Ehre für einen großen Baron.“

Christoph, der trotz seiner Jugend schon über ziemliche Kräfte verfügte und bereits fast einen halben Kopf größer war als sein Lehrer hielt diesen fest und riss ihn zu sich herum.
„Es heißt, ihr wäret der tapferste und beste Krieger jenseits der grenzen des Kaiserreiches. Was ist mir eurem Mut? Habt ihr im Anblick der Flammen alles verloren?“

Der Don sah seinen Schüler beinahe mitleidig an. In seinen Augen lag kein Zorn, nur eine gewisse Härte, die aber nicht von dem Gefühlsausbruch des jungen, sondern von der Wut über den Untergang Wreslas stammte.

„Christoph. Wie willst du deine Mutter aus dem Kerker der Sonnenkirche von Elbotal befreien? Denn dort wird sie gerade hingebracht, wie ich Simon kenne.“
„Aber, ihr habt doch meinem Vater gesagt, dass Simon versuchen wird sie sich wiederzuholen. Wenn er sie wiederhaben wollte, warum sollte er sie dann jetzt in einen Kerker werfen?“
„Simon ist Inquisitor geworden. Er hasst die Kinder der Natur, seitdem deine Mutter ihn damals verließ. Er hat bereits viele von Ihnen auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen. Und Andreia wird das gleiche Schicksaal erleiden. Ich habe sie beide gewarnt. Aber das der Glaube an das Gute, welches deine Eltern immer in sich trugen, war stärker als die Stimme der Vernunft.“
„Wie lange ist all das her?“
„Siebenundzwanzig Jahre.“
„Warum tötet jemand noch nach siebenundzwanzig Jahren einen Mann, der einst sein bester Freund war?“
„Weil Hass meistens stärker ist als Liebe.“

Mit diesen Worten drehte der Don sich wieder um und ging weiter in Richtung Süden. Christoph hatte sich langsam an das Tempo seines Lehrers gewöhnt. Er keuchte nicht mehr und schaffte es auch gut mitzuhalten. Nach einer Weile fragte er:

„Wohin gehen wir?“
„Wir umgehen die Straße und versuchen das Dorf Obderan am Morgen zu erreichen. Dort kaufen wir zwei Pferde und verschwinden ins Kaiserreich, oder in die Silberberge.“

Wieder blieb Christoph stehen. Diesmal aber ohne den Don festzuhalten. Stattdessen rief er ihm nach.

„Don del Smirna. Ihr habt meinem Vater ewige Treue geschworen. Gilt dieser Schwur auch für seinen Nachfolger.“

Wie vom Blitz getroffen blieb der Don stehen, er hatte mehr als vierzig Sommer gesehen, aber an einen Schwur hatte ihn noch nie jemand erinnern müssen. Langsam drehte er sich um. In der Ferne sah man immer noch den Lichtschimmer des einstmals so stolzen Schlosses. Es tat ihm im Herzen weh noch eine Minute länger an diesem Ort zu bleiben. Wie oft hatte er versucht den Baron auf diesen Moment vorzubereiten. Auf den Tag an dem Simon kommen und Rache üben würde. Doch all sein Reden war umsonst gewesen. Er hatte diese Familie sehr geliebt, nicht zuletzt weil sie ihn aufgenommen hatten, als er das Kaiserreich hatte verlassen müssen. Nun war sein bestreben Christoph zu retten, aber auch dieser wollte nicht auf ihn hören.

„Natürlich. Dieser Schwur gilt für das ganze Haus derer von Wresla.“
„Dann befehle ich, Baron von Wresla, euch, Don del Smyrna, mir zu folgen und meine Mutter aus den Verließen der Kirche zu retten.“
„Und wie soll dies geschehen? Die Zeiten in denen der Mond auf die Erde kam um seinen Dienern zu helfen sind lange vorbei.“
„Um in ein Verließ einzusteigen brauchen wir den Gottvater nicht. Dazu reicht Timin.“
„Der Sohn des Wirtes? Wie soll er uns helfen?“
„Keiner kennt die Katakomben unter der Stadt so gut wie er. Er wird uns führen?“
„Woher sollte dieser Jüngling die Katakomben kennen, die nicht einmal den Alten bekannt sind?“
„Weil wir als Kinder oft dort unten gespielt haben. Manchmal ist eben von Vorteil ein unbedarftes Kind zu sein.“

Der Don musste lachen, obwohl ihm eigentlich gar nicht zum Lachen zu Mute war. Aber wenn er sich vorstellte, wie Timin und Christoph durch die Katakomben unter Elbotal gerannt sind, in der Hoffnung nicht von irgendeinem Ungeheuer, die es dort unten zu Hauff geben sollte, erwischt und gefressen zu werden, konnte er einfach nicht anders.

„Dann lass uns den Wirt aufsuchen, und hoffen dass Timin diese Nacht in seinem eigenen Bett verbringt.“

Es dauerte fast vier Stunden bis sie die Mauern der Stadt erreicht hatten. Wahrscheinlich hatte man noch nicht bemerkt, dass die beiden entkommen waren, also wurden sie auch noch nicht öffentlich gesucht. Aber der Don hatte trotzdem nicht unbedingt das Bedürfnis gesehen zu werden. Es gab nur einen Weg in die Stadt hinein, ohne an den Wachen vorbei zu müssen. Der Fluss Zherta, der hier nur noch ein kleines Flüsschen war. An einer Stelle unter der Mauer floss er hindurch. Diese unsichere Stelle in der Mauer war nur von alten verrosteten Gitterstäben geschützt. Als er damals, vor mehr als fünfzehn Jahren, auf seiner Flucht vor den Sonnenpriestern, hierher kam hatte er festgestellt, dass in diesen Stäben unter dem Wasser eine größere Lücke war, durch die ein Mann problemlos hindurchschwimmen konnte. Diesen Weg mussten sie nehmen.

Nachdem sie unbemerkt in die Stadt gekommen waren, galt es den Wirtssohn zu wecken ohne viel Aufsehen zu erregen. Es würde noch etwa eine Stunde lang dunkel sein. Diese Stunde mussten sie nutzen um in die Katakomben zu verschwinden.

Am Haus des Wirtes angekommen klopfte Christoph an Timins Fenster, er benutzte dabei das alte Klopfzeichen, welches sie als Kinder miteinander einstudiert hatten. Es war eine unbeschwerte Zeit gewesen. Der Sohn des Adligen und der Wirtssohn, hatten oft ganze Tage und Nächte miteinander verbracht, bis Christoph in die Baronie eingebunden wurde und Timin mehr Zeit hinter dem Tresen seines Vaters und in den Betten der Mägde verbrachte, als mit sonst irgendetwas.

Christoph musste das Klopfzeichen dreimal wiederholen, bis Timin endlich das Holz, welches vor dem Fenster war, aufstieß. Er wirkte ziemlich verschlafen und sah Christoph entgeistert an. Es dauerte einen Moment, bis er den alten Spielgefährten erkannte. Dann huschte ein Lächeln über seine Züge. Schnell zog er sich etwas an und sprang aus dem Fenster auf die Straße. Die beiden Jünglinge umarmten sich. Timin war sichtlich überrascht Christoph hier zu dieser Stunde zu sehen.

„Was ist denn mit dir los, hat der junge Sohn von Adligen nicht auf dem Schloss zu sein zu solch einer Stund?“
„Timin, du musst uns helfen.“
„Ich? Einem Adligen? Wie dass denn?“

Mann hörte den Scherz in der Stimme, aber auch ein bisschen den Schmerz darüber, dass ihr Verhältnis nicht mehr so war wie früher.

„Der Inquisitor der Sonnenkirche hat unser Schloss niedergebrannt. Mein Vater wurde getötet und meine Mutter entführt. Sie wird im Verließ der Kirche gefangen gehalten. Wir müssen sie befreien.“

Timin schluckte.

„Sag mal alter Freund. Ganz ehrlich. Deine Mutter, sie ist ein Naturkind, nicht wahr?“

Christoph sah seinen Freund einen Moment an. Dann nickte er einfach. Es war ihm immer irgendwie peinlich gewesen das zuzugeben. Naturkinder wurden von der Kirche immer als Hexen hingestellt und verbrannt. Und damit so etwas seiner Mutter niemals passieren würde hatte er ihre Identität stets geleugnet. Doch heute musste er ehrlich sein. Timin legte ihm eine Hand auf die Schulter.

„Dann sollten wir uns beeilen. Das Feuerholz wurde gestern bereits zusammengetragen. Heute zur siebten Stunde des Tages soll die Verbrennung stattfinden. Also, in drei Stunden.“

Christoph sah Timin bestürzt an. Dann fasste er sich.

„Wie kommen wir am schnellsten in die Katakomben?“
„Durch den Abfluss der Häuser. Wer ist der Kerl?“

Timin betrachtete den Don etwas misstrauisch. Es war verboten in die Katakomben zu gehen, deswegen war er sich nicht sicher, ob er dem Mann vertrauen konnte. Aber Christoph beruhigte ihn recht schnell.

„Das ist mein Lehrer. Er hat mir gestern abend das Leben gerettet.“
„Dann los.“

Sie gingen geduckt bis zur nächsten größeren Straßenkreuzung. Auf jeder dieser Kreuzungen gab es an der Seite der Straße einen kleinen Deckel im Boden, durch den Mann in den Abfluss der Häuser gelangen konnte. Die Herren der Stadt hatten vor siebzig Jahren hier eine unterirdische Kanalisation anlegen lassen, durch die das Wasser des Flusses floss und die in den Katakomben endetet. Es war verboten in dieses Abwassersystem zu steigen, weil man von dort unten die Möglichkeit hatte, durch die Plumpsklos, die in jedem Haus waren, in jedes Haus der Stadt zu gelangen. Für Einbrecher war dieser Weg wie geschaffen. Doch als sich damals die Diebstähle zu sehr gehäuft hatten, hatte die Stadt Wachen in den Kanalisationen patrolieren lassen. Und eines Tages war das Märchen von Ungeheuern aufgekommen, die dort unten lauerten. Seit diesen Tagen gab es nahezu keine Einbrüche über das Kanalnetz mehr.

Die Drei stiegen hinab in die stinkenden Kanäle. Timin kannte sich wirklich gut aus dort unten. Es dauerte nicht lange, bis er den ungefähren Standort der Kirche ausgemacht hatte. Nun galt es nur noch nach oben zu kommen und dann in das Verließ hinab. Wenn sie Andreia befreit hätten, würden sie auf dem gleichen Weg die Kirche wieder verlassen und den Kanälen dann bis in die Katakomben folgen. Von dort aus könnten sie auf unterirdischem Weg bis weit vor die Stadt fliehen. Dann standen ihnen die Wege ins Silbergebirge oder ins Kaiserreich offen.

Es war nicht gerade leicht sich durch dass relativ kleine Loch, auf welches die Priester sich setzten um ihre Notdurft zu verrichten, nach oben zu klettern. Aber ihnen blieb nichts anderes übrig. Nun galt es, schnell das Verließ zu finden.

Plötzlich blieb der Don stehen. Vor ihnen auf dem Gang waren Stimmen. Sie kamen langsam näher. Die Drei waren nur mit leichten Messern bewaffnet. An den Wänden hingen Fackeln und erleuchtete den Gang taghell. Schnell zog der Don die Nächsten beiden fackeln aus den Halterungen und drückte sie auf dem Steinboden aus. Dann schob er sie wieder an ihren Platz. Als die Beiden Priester, deren Stimmen sie gerade schon gehört hatten vor ihnen um die Ecke bogen war es dunkel in diesem Abschnitt des Ganges. Die drei Eindringlinge hatten sich in die Nischen unter den gelöschten Fackeln gedrückt. Die Priester blieben stehen. Einer von ihnen, ein älterer hagerer mit weißem schütteren Haar, fragte:

„Warum sind diese beiden Fackeln schon wieder aus?“
„Das weiß ich nicht, Heiligkeit.“
„Wenn der Inquisitor sieht, dass wir den Gang ins Verließ nicht zur genüge ausleuchten, wird er annehmen wir wollen den Mächten der Dunkelheit den Weg zur Befreiung dieser Hexe erleichtern.“
„Wer sollte sie befreien wollen?“
„Das weiß man nie genau mein Sohn. Es gibt unter den Stadtbewohnern viele, die sie mögen. Sie hat immerhin viel gutes für unsere Stadt getan.“
„Deshalb verstehe ich auch nicht, warum Ihr ihrer Verbrennung zustimmt.“
„Was soll ich denn tun? Sie ist nun einmal eine Hexe. Und wenn Simon der Inquisitor ihren Tod befielt, werde ich mich ihm nicht in den Weg stellen. Ich habe nicht vor auf meine alten Tage noch Ärger mit dem Sonnenfürsten zu bekommen. Und nun geh und sorg dafür, dass neue Fackeln gebracht werden.“

Der jüngere Priester rannte den Gang hinauf. Der ältere folgte ihm, gemessenen Schrittes. Erleichtert kamen die Drei aus ihrem Versteck hervor. Sie waren also auf dem richtigen Weg. Nun schnell. Sie hatten nicht mehr viel Zeit.

Vor der Tür der Zelle stand, wie erwartet eine Wache. Der Mann konnte den ganzen Raum überblicken. Es war unmöglich an ihm vorbei zu kommen. Und sie hatten nur noch etwa eine halbe Stunde, bis Andreia abgeholt werden würde. Christoph sank entmutigt zu Boden und lehnte sich an die Wand des Ganges. Timin kniete sich neben ihn. Leise flüsterte er:

„Was nun?“

Christoph zuckte nur mit den Schultern. Er hatte keine Ahnung. Plötzlich hörte er ein leises Wispern. Fragend sah er Timin an.

„Hast du das auch gehört?“
„Was denn?“
„Na, dieses leise Flüstern?“
„Da war nichts.“
„Warte.“

Andreia hatte früher schon oft auf diesem Weg Kontakt zu ihm aufgenommen, wenn sie nicht wusste wo er war, ihm aber etwas wichtiges mitteilen wollte. Ob sie mit ihm sprechen wollte? Er konzentrierte sich ganz auf die Stimme in seinem Kopf, die langsam immer klarer wurde.

„Mein Sohn, warte noch einen Moment. Egal was du hörst, glaube es nicht und egal was du siehst, versteh es nicht falsch. Wir werden bald wieder vereint sein.“

Christoph schnellte wieder auf die Beine. Der Don sah ihn verblüfft an. Ganz vorsichtig späte Christoph um die Ecke in den Raum hinein, wo der Wächter vor den Gitterstäben stand, hinter denen seine Mutter saß. Das heißt, mittlerweile stand sie an den Gitterstäben und rief dem Wächter etwas zu. Christoph musste sich Mühe geben seine Mutter zu verstehen.

„Soldat!“

Ihre Stimme klang weich und verlockend. Christoph war klar, dass sie versuchte den Wächter mit einem Zauber zu belegen.

„Soldat. Komm doch bitte einmal her zu mir.“

Der Soldat drehte sich zu der Gefangenen um und ging langsam auf die Gitterstäbe zu.

„Was willst du Weib?“

Ganz langsam und voller Anmut begann Andreia sich ihres Hemdes zu entledigen. Dann sah sie den Soldaten bittend an.

„Großer, starker Mann. In weniger als einer Stunde werde ich sterben. Willst du mir noch einmal erlauben die Vereinigung mit einem Mann zu erleben?“

Andreia sah die Lust in den Augen des Soldaten aufblitzen. Sie hoffte inständig dass Christoph verstand, dass sie so etwas nur sagte, damit ihr Sohn Zeit hatte die Wache auszuschalten. Seit die Drei in der Kirche waren, hatte sie ihre Gegenwart gespürt, und sie wusste, dass sie ihnen nun helfen musste.

Der Soldat kramte den Schlüssel für die Zelle hervor, schloss die Tür auf und warf Andreia auf das kleine Feldbett am Ende des Raumes. Lachend stellte er sich vor sie und sah auf sie hinab.

„Dein letzter Wunsch soll dir erfüllt werden, verdammte...“

Langsam verdrehten seine Augen sich nach oben. Blut rann aus seinem Mund. Dann sackte er in sich zusammen. Aus seinem Rücken ragte ein Messergriff. Am anderen Ende des Raumes stand Christoph. Sein Blick suchte die Augen seiner Mutter. Er nickte kurz, dann wandte er sich zu den anderen beiden und bat sie, den Gang zu bewachen. Er wollte seiner Mutter die Blicke Timins ersparen. Andreia kleidete sich schnell wieder an und umarmte ihren Sohn stürmisch. Der Weg zurück in die Notdurftzelle war schnell zurückgelegt. Doch, als Christoph und Andreia gerade hinabgeklettert waren hörte der Don vor der Tür wieder Stimmen.

„Die Gefangene ist verschwunden.“
„Wie das?“
„Irgendjemand hat sie befreit.“
„Und warum hat der Wächter keinen Alarm geschlagen.“
„Keine Ahnung. Er lag mit einem Messer im Rücken in ihrer Zelle.“
„Dann hat der Tölpel sich von ihr verführen lassen und sie hat ihn erstochen.“
„Aber sie hatte doch keine Waffen bei sich.“
„Eigentlich nicht. Jemand muss ihr geholfen haben. Sucht sie. Riegelt die Stadt ab. Sie dürfen nicht entkommen.“

Das war Simon. Der Don musste gegen das Verlangen ankämpfen diesen verdammten Hund sofort zu erledigen. Aber er folgte stattdessen den anderen in die Kanäle hinab. Zur Mittagszeit erreichten sie die Höhle, etwa zwei Fußstunden von der Stadt entfernt, in welche die Katakomben mündeten. Dort blieben sie etwa eine Stunde um zu rasten. Andreia musste sich etwas erholen. Und sie brauchte endlich ein wenig Zeit um für ihren Mann zu trauern. Der Don und Christoph setzten sich vor die Höhle um zu beraten.

„Wohin sollen wir jetzt gehen, junger Baron?“

Der Don betonte den Titel mit Absicht um Christoph zu zeigen, dass er jetzt die Verantwortung für seine Mutter trug. Dieser sah eine Weile vor sich auf den Boden. Dann murmelte er mit eisigem Zug in der Stimme:

„Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eins, Simon wird sterben. Und sei es in siebenundzwanzig Jahren.“